Fernsehreife Prunksitzungen in Baumholder

Was haben Paul Breitner, Louis de Funes, die Biene Maja und Rocky  gemeinsam? Sie alle sind Helden der Kindheit – und sie alle standen gemeinsam auf der Bühne bei den beiden großen Prunksitzungen der Baumholderer Karnevalsgesellschaft (BKG) am Samstag und Sonntag in der Brühlhalle. Es war einer der Höhepunkte der knapp sechsstündigen Sitzung, als die „Damen ohne Namen“ ihre Show „Wenn ich an meine Kindheit denk…“ präsentierte. Vor allem Martina Meschenmoser sorgte immer wieder für Lacher, als sie als Hop-Sing aus „Bonanza“ den Kochlöffel schwang. Und das so, ohne dabei ihre Mitstreiter zu verletzen. Das war der Gag des Auftritts: Alle Kinderhelden machten ihre ausschweifenden Bewegungen so perfekt getimt, dass das Gesamtbild stimmt. Sie duckten sich immer dann, wenn die anderen ausholten.

Perfekt getimt war auch der Gardemarsch der Jugendgarde. Synchrone Bewegungen, Temperament und Ausstrahlung zeichneten die Truppe aus. Damit standen sie der Prinzengarde in nichts nach. Deren Gardemarsch hatte den Tanzreigen eingeläutet, der Jahr für Jahr fernsehreif ist. Für ihren Showtanz hatte sich die Prinzengarde dann etwas besonders Originelles einfallen lassen. Sie ließ die Helden von Bern und das gleichnamige Wunder noch einmal aufleben. Eine perfekte Show in 1954er-Trikots, bei der auch die legendäre Radioreportage von Herbert Zimmermann für so manchen Gänsehaut-Moment sorgte. Ganz anderen Helden widmeten  die Wonneproppen ihrem Tanz. Heidi, die Schlümpfe und Pippi Langstrumpf wirbelten über die Bühne. Und auch die Minigarde hielt sich, wie so viele Gruppen an diesen beiden  Abenden,  an das BKG-Sessionsmotto „Feiert mit ihr liewe Leit, die Helden unsrer Kinderzeit“. Sie ließen Pinocchio an Schnüren tanzen und viele kleine Pumuckls über die Bühne huschen. Zu „Ein Stern“ und „Du hast mich 1000 Mal belogen“ hatte sich Tanzmariechen Michelle Trum einen Tanz samt Akrobatik-Einlagen ausgedacht.

Wieder ganz mottogetreu präsentierte sich dann das Männerballett. Zunächst gab es traditionell die Hitparade. Dieses Mal allerdings nicht playback: Patrick Geibel sang live und in Begleitung von Lukas Becker bekannte Titelmelodien – von Pippi Langstrumpf über Biene Maja bis hin zu Michel aus Lönneberga. Und dann zeigte das Männerballett wieder einmal, dass es den Anspruch hat, eine echte Tanzgruppe zu sein. Das betonte auch Sitzungspräsident Frank Meschenmoser: „17 Männer und eine Frau zeigen um diese Uhrzeit einen zwölfminütigen Tanz – das ist sportliche Höchstleistung.“ Mit Unterstützung von Charlene Kemmer präsentierte das Männerballett „König der Löwen“. Schauspiel, Akrobatik und Tanz vereinten sie dabei auf wunderbare Weise, und Maurice Heidrich, der in diesem Jahr erstmals auch die Leitung des Kulissen-Teams übernommen hatte,  war mit seinem verschmitzten Gesicht die Idealbesetzung für Simba. Der lange Applaus und stehende Ovationen machen Hoffnung auf mehr: Wie Meschenmoser ankündigte, will das Männerballett mit diesem Tanz zur Rheinland-Pfalz-Meisterschaft fahren.

Nicht nur Tanz, sondern auch jede Menge Musik stand auf dem Programm der Prunksitzungen. Ungewöhnlich für die BKG: Noch bevor die Tollitäten  - Daniela II. und Timo II. präsentierten sich deutlich gealtert als „Prinzenpaar auf Lebenszeit“ - einmarschiert waren, gab es schon einen Gesangsvortrag. Die Familie Flohr – Hella, Thomas und Christian Flohr, Andrea und Fabian Hagner sowie Manuela Heidrich – teilten ihre Kindheitserinnerungen mit dem Publikum. Und verglichen diese mit dem Kindsein von heute. Christian Flohr nannte die Besucher im Saal, die vor 1980 geboren sind, die eigentlichen Helden. „Dass wir überhaupt überlebt haben“, so Flohr. Schließlich habe diese Generation munter am Spielzeug aus China gelutscht, habe ohne Airbag und Kindersitz zehn Stunden auf der Rückbank eines Ford Escorts auf der Fahrt nach Spanien gelegen.  Damit die nach 1980 Geborenen das verstehen, hatte die Familie ein lustiges Lied parat. Ein Beispiel gefällig? „Amazon war analog – und hieß Quelle-Katalog.“

Zur Melodie von Mark Forsters „Sowieso“ forderten die Westrich-Sänger  einen Masterplan für den Badesee: „Auch wenn der Weiher stinkt wie ein Klo; egal, es wird gut, sowieso.“ Außerdem hatten sie sich die „Helden der BKG“ vorgenommen – den Elferrat, Frank Meschenmoser, Udo Eifler sowie Bernd Mai und Jürgen Geibel. „Sie sind seit Beginn der Neuzeit der BKG dabei. Wir wollen sie besingen, weil sie es verdient haben“, so Westrich-Sänger Thomas Flohr.
Auch dieses Mal war das Duo Mai und Geibel wieder einer der Höhepunkte. „Spitzen-Kokolores“ nannte Meschenmoser deren Vortrag als Dick und Doof. Mit Wortwitz, Klamauk und so mancher Kritik am Stadtgeschehen – unter anderem vermissten die Beiden im vergangenen Jahr einen St. Martin – überzeugten sie das Publikum. Dass sie am Ende noch einen kleinen Tanz aufs Parkett legten, machte ihren Auftritt perfekt. Und riss das Publikum von ihren Stühlen.

Das schaffte auch Yannick Simon als Indiana Jones. Er beantwortete die drängenden Fragen des Lebens, etwa wer das Lächeln der Mona Lisa geklaut hat. „Fest steht, Udo Eifler war es nicht.“ Er beleuchtete nicht nur die große Politik, sondern hatte auch immer wieder – wie von ihm gewohnt – einen Seitenhieb auf Heimbach parat. Doch im Hinblick auf die Ehe für alle, spielte er doch mit dem Gedanken, VG-Bürgermeister Bernd Alsfasser, wohnhaft in Heimbach, zu heiraten.
Ganze andere Gedanken spielten sich in den Köpfen von  Meta Mees und Petra Schmidt ab.  Schnell hatten sie ihre Stöcke zur Seite gelegt und machten lieber „Nording Talking“ als „Nordic Walking“. Mit viel Humor und durchdachtem Konzept eroberten sie das Publikum – und mit Leck-Muscheln – einer Kindheitserinnerung -, die sie in die Menge warfen.

Mit „Wortwitz“, wie es der Sitzungspräsident ausdrückte, gingen Gisela Möller und Peter Pickard als Eisbrecher in Sachen Büttenreden auf die Bühne, nachdem die Fanfarenbläser Tim Lorscheider, Peter Glück, Erhard Becker, Moritz Ozimek und Desirée Rausch die Sitzung eröffnet hatten.  Möller und Pickard zogen so manchen Stadtbekannten durch den Kakao und präsentierten einen Witz nach dem anderen. So wie diesen: „Ich war Pilze fangen. Fangen? Noch nie was von Fliegenpilzen gehört?“
Weniger Fliegenpilze als Blaualgen interessierten den BKG-Vorsitzenden Dieter Heinz, der Jahr für Jahr die Lokalkanone befeuert. Dieses Mal kam er als Schneewittchens Zwerg Nummer vier in die Bütt‘. Und hatte die Idee, zwei Übel zu etwas Positivem zu verknüpfen, nämlich die Blaualgen im Badesee und das Hochwasser im Museumsneubau: „Fällt auch dieses Jahr der Weiher durch Blaualgen aus, fluten wir den Goldenen Engel und machen ein Hallenbad draus.“

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